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1. November 2023

Ciao, § 550 BGB

Nutzungsverträge zur Sicherung von Flächen für Solar- und Windprojekte müssen komplizierten Schriftformerfordernissen genügen. Das versteht im 21. Jahrhundert kein Mensch mehr. Es ist höchste Zeit, die Norm abzuschaffen.

Die Energiewende gehört zu den drängendsten Herausforderungen unserer Zeit. Damit sie gelingt, müssen wir im großen Umfang und besser heute als morgen in erneuerbare Energien investieren. Das erfordert wiederum Rechtssicherheit.

Als scheinbar unscheinbares Gesetz hat sich die Schriftformklausel für Mietverträge in § 550 BGB als Stolperstein für Investitionen in Erneuerbare Energien erwiesen. Die Ampel-Koalition muss sich dieses Problems dringend annehmen – am besten, indem sie die Norm ganz abschafft.

Strategisches Druckmittel

Werden befristete Mietverträge für länger als ein Jahr nicht schriftlich abgeschlossen, gelten sie als unbefristet. Sie können dann trotz der Befristung ordentlich gekündigt werden.

Die Norm gilt nicht nur für die Wohnraummiete, sondern auch für die Miete von Grundstücken. Nutzungsverträge über Flächen für Wind- und Solarprojekte werden in der Regel für mindestens 20 Jahre, teilweise sogar für bis zu 30 Jahre abgeschlossen. Das langfristige Nutzungsrecht an den Flächen sichert die hohen Investitionen in die Entwicklung und Errichtung der Projekte.

Die Anforderungen an die Schriftform sind kompliziert: Verträge und Nachträge müssen eigenhändig unterschrieben werden, schlüssig aufeinander verweisen und unklare Klauseln können gegen das Schriftformerfordernis verstoßen.

Angesichts der starken Konkurrenz um die knappen Flächen verkommt die Schriftform zum taktischen Mittel, um teure Nachverhandlungen und Neuabschlüsse zu erreichen.  Der Strauß der Schriftformregeln ist so bunt und unübersichtlich, dass die versierte Rechtsanwältin in fast jedem Nutzungsvertrag einen Fehler findet.

Für den Projektentwickler, Betreiber, Investor und Finanzierer kann dies zu erheblichen Unsicherheiten führen. Für keine der Parteien hat die Norm, die hier die Parteivereinbarung über die Vertragsdauer aushebelt, einen besonderen Sinn oder Zweck. Ausländische Investoren können nur den Kopf schütteln über diesen sehr deutschen Schildbürgerstreich.

Verfehlter Erwerberschutz

Dabei sollte § 550 BGB ursprünglich nur den Erwerber eines Grundstücks schützen. Er soll erkennen können, welche mietvertraglichen Rechte und Pflichten er mit dem Grundstück erwirbt. Kann er dies mangels Schriftform nicht überblicken, soll er sich vom Mietvertrag lösen können.

Kommt es dem Erwerber beim Erwerb des Grundstücks aber gerade auf die gesicherte Fortführung des Mietvertrags als Einnahmequelle an, so wirkt die Rechtsfolge gegen ihn: Der Erwerber kann nicht sicher prüfen, ob die Schriftform eingehalten wurde. Er kennt die Umstände des Vertragsschlusses nicht und kann sich nicht vergewissern, ob wesentliche Teile der Urkunde ordnungsgemäß beigefügt worden sind.

Und dann kam der Bundesgerichtshof

Obwohl die Schriftformklausel nach der Gesetzesbegründung nur den Erwerber schützen soll, können sich nach der Rechtsprechung des BGH auch die ursprünglichen Vertragsparteien auf § 550 BGB berufen. Es bleibt unklar, welchem Schutzbedürfnis eine solche offensichtlich vom ursprünglichen Parteiwillen abweichende Kündigungsmöglichkeit dienen soll. Dem BGH zufolge können die Parteien auch nicht auf die Schriftform verzichten. Gleichzeitig sind die Anforderungen stetig gestiegen. Die Rechtsprechung der letzten Jahre hat § 550 BGB zum Endgegner der Vertragsgestaltung gemacht.

Notwendige Änderungen

Auch wenn wir die Schriftformklausel vor allem aus dem Blickwinkel der erneuerbaren Energien betrachten, ist auch für andere Mietverträge kein gewichtiger Grund für den Erhalt der Norm erkennbar. Schon grundsätzlich ist fraglich, ob der Erwerberschutz tatsächlich ein so gewichtiger Grund ist, dass er die Grundsätze der Formfreiheit und der Vertragstreue einschränken muss.

Es kommt erschwerend hinzu, dass die angeordnete Rechtsfolge in vielen Fällen gar nicht dem Interesse des Erwerbers oder der ursprünglichen Parteien entspricht. Die Streichung des § 550 BGB würde mit geringem Aufwand die Grundsätze des BGB wiederherstellen, eine Rechtsprechung beseitigen, die den ursprünglichen Zweck der Norm ad absurdum geführt hat, und Rechtssicherheit (auch) für erneuerbare Energien schaffen.

Fazit: Dringender Appell an die Politik

Bereits in der letzten Legislaturperiode wurde ein Reformversuch angestoßen (BR-Drucksache 469/19 und BT-Drucksache 19/17034). Der sehr zögerliche Gesetzesentwurf ging allerdings ins Abseits. So stellte der Bundesverband Windenergie fest, dass die vorgeschlagenen Änderungen die Probleme des Schriftformerfordernisses nicht lösen können. Mit dem Ende der Legislaturperiode wurde diese Initiative dann fallen gelassen. Oder wie es auf der Website des Bundestags heißt: „Beratungsstand: Erledigt durch Ablauf der Wahlperiode“.

Es ist an der Zeit, dass die Ampel-Koalition den Ball wieder aufnimmt und § 550 BGB abschafft. Ein Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium zur Reform des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht soll bereits auf dem Weg sein. Ich wünsche den Verfassern den Mut zu konsequenten Änderungen, die zu einer deutlichen Vereinfachung führen.

 
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