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26. Januar 2022

Die Sonne über den Dächern der Stadt

Der Strombedarf wird in den nächsten Jahren steigen, aber Kohle und Atom sollen vom Netz. Können Solaranlagen auf den Dächern der Wohnungseigentümergemeinschaften dabei helfen, die Lücke im Strommix zu schließen? Dafür müssten die Gesetze dringend verbessert werden.

Die neue Bundesregierung prognostiziert, dass der Strombedarf in Deutschland von 488,4 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2020 auf 680 bis 750 TWh im Jahr 2030 steigen wird. Das liegt unter anderem an den Elektroautos, die bis dahin auf die Straße gebracht werden.

Zugleich sollen Atom- und Kohlestrom vom Netz und die Wind- und Solarenergie massiv ausgebaut werden. 80 Prozent des Stroms sollen laut Koalitionsvertrag im Jahr 2030 aus erneuerbaren Energien stammen.

Gewaltige Herausforderungen für die Energiepolitik

Die Bundesregierung plant den Ausstieg aus der Kohlestromversorgung bis 2030. Im Jahr 2020 hat Steinkohle 7,5 Prozent der Bruttostromversorgung ausgemacht, bei der Braunkohle waren es 16,2 Prozent. Somit wird bei steigendem Strombedarf rund ein Viertel der Stromversorgung wegfallen.

Diese Lücke soll nach Vorstellung der Politik durch Gaskraftwerke gefüllt werden; die Gaspipeline Nordsteam 2, die Deutschland mit Erdgas versorgen soll, ist in der Koalition jedoch stark umstritten. Selbst wenn das Vorhaben umgesetzt werden sollte, wäre es jedoch den schwierigen politischen Verhältnissen zwischen der EU und Russland ausgesetzt.

Geplant ist auch der Ausstieg aus der Atomenergie, ganz anders als bei vielen unserer europäischen Nachbarn. Die Atomenergie hatte 2020 einen Anteil am Strommix in Deutschland von 11,4 Prozent. Ende 2021 wurden von den letzten sechs Atommeilern die Werke in Grohnde, Grundremmingen und Brokdorf vom Netz genommen. Die Abschaltung des Atomkraftwerks in Brokdorf hat besondere Symbolwirkung: Es ist wegen der Demonstrationen gegen das Atomkraftwerk mit über hunderttausend Teilnehmern in den 1970er und 1980er Jahren untrennbar mit der Gründungsgeschichte der Grünen verbunden.

Die Gegner der Atomkraft weisen auf die Risiken und die ungeklärte Endlagerfrage hin. Befürworter sind hingegen der Auffassung, dass ohne Atomkraft das Klimaziel von höchstens 1,5 Grad Erderwärmung nicht zu erreichen sei. Darüber hinaus gibt es neue Ideen, die Probleme zu lösen: Sogenannte MSR-Reaktoren (Molten Salt Reactors) der vierten Generation sollen aufgrund der Salzschmelze als Trägermedium sicherer sein. Das Problem des Atomabfalls könne gelöst werden, indem man vorhandenen Atommüll (abgereichertes Uran) mit schnellen Neutronen bearbeite. Rückstände, die Zehntausende von Jahren bestehen bleiben, sollen so in Stoffe, die bereits nach einigen hundert Jahren abklingen, umgewandelt werden.

Wie dem auch sei – absehbar ist jedenfalls, dass Deutschland durch die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke bis Ende 2022 bei Windflaute weiteren zusätzlichen Atomstrom aus dem Ausland benötigt. Wenn Kohle- und Atomstrom wegfallen und gleichzeitig die Nachfrage steigt, dann steht der Ausbau der erneuerbaren Energien vor gewaltigen Aufgaben: grob geschätzt müssen dann bis zum Jahr 2030 über 300 TWh an zusätzlichem Strombedarf gedeckt werden (das entspricht, wiederum grob geschätzt, der Leistung von mehr als 30.000 Windkraftanlagen an Land).

Wind und Sonne sollen es richten

Für die Windenergie sollen nach dem Koalitionsvertrag zwei Prozent der Landesfläche ausgewiesen werden, was in Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin illusorisch ist. Dort kann die Fläche nur durch Photovoltaik genutzt werden, die auf ca. 200 Gigawatt bis 2030 ausgebaut werden soll.

Die Dächer der über neun Millionen Wohnungseigentümergemeinschaften spielen hierbei eine wesentliche Rolle. Nach den Vorstellungen der Politik sollen alle geeigneten Dachflächen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Bürokratische Hürden sollen abgebaut werden, um private Bauherren finanziell und administrativ zu entlasten.

Die Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes

Vor diesem Hintergrund wurde das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) im Dezember 2020 an die umweltpolitischen Herausforderungen und technischen Möglichkeiten angepasst. Insbesondere sollte es leichter werden, neue bauliche Maßnahmen, wie energetische Sanierungen, umzusetzen.

Der Gesetzgeber schuf zudem eine Regelung für privilegierte bauliche Veränderungen, nach welcher jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf elektrische Ladesäulen erhält. Voraussetzung für die Installation ist lediglich ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft, für den ein sogenanntes Beschlussfähigkeitsquorum nicht erforderlich ist. Der beantragende Eigentümer könnte demnach sogar allein zur Versammlung gehen und abstimmen, denn die Beschlussfähigkeit ist bereits bei einer anwesenden Person hergestellt. Falls die Miteigentümer die Ladesäulen im Nachhinein mitgebrauchen wollen, können sie das tun, wenn sie sich anteilig an den Kosten beteiligen.

Keine Berücksichtigung fanden jedoch bei den privilegierten Baumaßnahmen die Solaranlagen, obwohl dies nahegelegen hätte. Denn wenn der Strom direkt vom Hausdach kommt, stellt dies eine zusätzliche Motivation für die Null-Emissions-Mobilität dar.

Mit der fehlenden Privilegierung sind erhebliche Nachteile verbunden: Es bedarf eines Mehrheitsbeschlusses und es gelten die Verbote der grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage und der unbilligen Benachteiligung eines Wohnungseigentümers.

Das Problem der Eigenversorgung

Darüber hinaus gilt die EEG-Umlagebefreiung nach der Neuregelung 2021 nur für Solaranlagen bis zu einer installierten Leistung von 30 kWp und eine Eigenverbrauchsmenge von bis zu 30 MWh pro Jahr.

Von der EEG-Umlage befreit ist dabei auch nur die Eigennutzung, wenn also der Betreiber der Erzeugungsanlage gleichzeitig Verbraucher ist.

Der Verband der Wohnungseigentümer ist jedoch nicht identisch mit den einzelnen Wohnungseigentümern und den Mietern der einzelnen Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentümergemeinschaft wird deshalb selbst zum Stromerzeuger, dessen Energielieferung stark reguliert wird. Oft kommt es in der Praxis zu technischen Mess- und Abgrenzungsproblemen. Solaranlagen werden damit für Wohnungseigentümergemeinschaften kompliziert und unattraktiv. Es bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung an dieser Stelle nachjustieren wird.

Um das Ziel sozial gerechter und wettbewerbsfähiger Strompreise zu erreichen, soll die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis bereits zum 1. Januar 2023 wegfallen. Die Finanzierung übernehmen dann der Energie- und Klimafonds sowie der Bundeshaushalt.

Jedenfalls wird eine intelligente und praxistaugliche Ergänzung des Wohnungseigentumsgesetzes unumgänglich sein, wenn die Rahmenbedingungen für die Bürgerenergie gestärkt werden sollen.

 
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