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8. Juni 2023

Das Dilemma

Was ist besser: private Schiedsgerichte oder staatliche Gerichte?

In Homers Odyssee haust das Ungeheuer Skylla auf dem einen Fels der Meerenge und das Monster Charybdis auf dem gegenüberliegenden Felsen. Charybdis saugt dreimal am Tag Meerwasser in sich hinein, um es dann brüllend wieder auszustoßen. Odysseus versucht, der Charybdis auszuweichen, gerät dabei aber unweigerlich so nahe an Skylla heran, dass diese sechs seiner Gefährten verschlingt.

Ähnlich ergeht es einem, wenn man zwischen staatlichen Gerichten und privaten Schiedsgerichten entscheiden muss: Am besten schlägt man um beide einen weiten Bogen.

Aber Streit lässt sich nicht immer vermeiden. Deshalb ist es gut zu wissen, welches das kleinere Übel ist und welchen Mechanismus man am besten in seinen Verträgen festhält. Hier fassen wir die Vor- und Nachteile der beiden Systeme kurz zusammen.

Verfahrensdauer

Im Schiedsverfahren gibt es in der Regel nur eine Instanz. Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist sofort bindend und endgültig und kann nur sehr eingeschränkt überprüft werden. Vor staatlichen Gerichten können dagegen weitere Monate und Jahre für Berufungs- und Revisionsverfahren vergehen.

Aber auch die Dauer eines Schiedsverfahrens hängt von der Komplexität des Falls ab und kann sich über Jahre hinziehen. Die Schiedsgerichtsinstitutionen haben darauf reagiert und Regeln zur Beschleunigung eingeführt, auf die sich die Parteien einigen können. Einige Schritte, wie beispielsweise die Ernennung der Schiedsrichter, hängen jedoch oft davon ab, ob die Parteien bereit sind, am Verfahren mitzuwirken. Ein Schiedsverfahren kann daher schneller sein als ein gerichtliches Verfahren, muss es aber nicht.

Kosten

Als Faustregel gilt: Bei Streitwerten ab 100.000 Euro sind in Deutschland die Gerichtskosten für zwei Instanzen ähnlich hoch wie die Schiedsrichterkosten eines Schiedsverfahrens (z.B. bei einem Streitwert von 10 Millionen Euro ungefähr 250.000 Euro). Da es in staatlichen Verfahren oft auf zwei Instanzen hinausläuft, sind die Kosten vergleichbar. Die Parteien können jedoch die Kosten des Schiedsverfahrens senken, indem sie sich auf einen Einzelschiedsrichter einigen (statt auf drei Schiedsrichter).

Neutralität

Gerade bei Verträgen mit internationalem Bezug will sich eine Partei ungern der Entscheidungsmacht staatlicher Richter unterwerfen, die aus demselben Land stammen wie die andere Partei. Ein Schiedsgericht kann mit Richtern aus verschiedenen Ländern besetzt werden – keine Partei genießt einen „Heimvorteil“.

Expertise

Je nach Schiedsordnung wählen die Parteien oder die Schiedsinstitution die Schiedsrichter aus. Dies hat den Vorteil, dass für Spezialmaterien wie dem internationalen Unternehmenskauf oder für große Infrastrukturprojekte Spezialisten als Schiedsrichter benannt werden können. Ein Schiedsrichter muss nicht zwingend Jurist sein; auch technische Experten kommen in Frage.

Vor staatlichen Gerichten hat man es hingegen oft mit Generalisten zu tun, die über keine Spezialkenntnisse verfügen.

Sprache

Vor Schiedsgerichten kann problemlos in englischer Sprache verhandelt werden. Dies ist im internationalen Geschäftsverkehr von Vorteil. Vor deutschen Gerichten ist man nicht so flexibel – die Gerichtssprache ist bis auf wenige Ausnahmen Deutsch.

Vertraulichkeit

Im staatlichen Gerichtsverfahren gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit. Es steht jedem frei, bei der mündlichen Verhandlung zuzuhören. Außerdem kann das Urteil veröffentlicht werden. Daran können die Parteien nichts ändern.

Im Schiedsverfahren ist es hingegen üblich, hinter verschlossenen Türen zu verhandeln. Häufig ist die Vertraulichkeit bereits in den Schiedsregeln festgelegt. Ist dies nicht der Fall, können die Parteien Vertraulichkeit vereinbaren.

Einbeziehung Dritter

Manchmal ist unklar, ob Unternehmen A oder B den Schaden verursacht hat oder beide zusammen. Dies ist im Anlagenbau eine häufige Konstellation. Vor staatlichen Gerichten kann man problemlos beide verklagen oder dem einen den Streit verkünden und damit effizient den Mehrparteienstreit in einem Verfahren klären.

Anders im System der Schiedsgerichtsbarkeit: Niemand kann ohne seine Zustimmung in ein privates Schiedsverfahren hineingezogen werden. Deshalb müssen alle beteiligten Personen (am besten schon bei Vertragsschluss) der Schiedsgerichtsbarkeit und der Verbindung von Streitigkeiten zustimmen. Andernfalls drohen Parallelprozesse mit doppelten Kosten und unterschiedlichen Ergebnissen.

Vollstreckbarkeit

Schiedssprüche lassen sich in der Regel problemlos im Ausland vollstrecken. Die sogenannte New York Convention wurde von den meisten Staaten ratifiziert und führt zu einer weiten Anerkennung von Schiedssprüchen.

Für staatliche Urteile gilt dies nur innerhalb Europas; außerhalb Europas ist die Vollstreckung in der Praxis oft schwierig.

Zusammenfassung

Im internationalen Kontext bietet sich ein Schiedsverfahren an. Das Schiedsgericht kann mit Spezialisten aus verschiedenen Ländern besetzt werden, die Parteien können auf Englisch verhandeln und die Vollstreckung des Schiedsspruchs im Ausland ist in der Regel kein Problem.

Wenn der Kontext hingegen national ist und Vertraulichkeit und Spezialisierung keine große Rolle spielen, ist die staatliche Gerichtsbarkeit oft das Mittel der Wahl.

 
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